Auslandseinsatz und Familie
Der Buchtitel deutet die Ausgangslage an: Streitkräfte der Bundeswehr, die sich im Einsatz befinden, bedeuten gleichzeitig, dass nicht nur die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sind. Vielmehr betrifft dies auch die Partnerinnen und Partner, die Familien, die Kinder sowie weitere Angehörige, die vor einer herausfordernden "Einsatzzeit" mit Entbehrungen, Belastungen und nicht selten auch Ängsten stehen. Ebenso davon betroffen sind begleitende Personen des psychosozialen Netzwerks.
Die Erlebnisse dieser Einsatzzeiten können für Soldatinnen und Soldaten sowie für ihre Angehörigen durchaus eine bereichernde Erfahrung sein. Oft sind diese Phasen aber verbunden mit großen Herausforderungen für Partnerschaft, Familie und Erziehung. Denn mindestens zwei verschiedene Lebenswelten machen in der Fernbeziehung "rund um Befürchtungen, Abschied und Wiedersehen" den Alltag der Partner aus. Und diese unterschiedlichen Erlebniswelten müssen im Alltag nach der Abreise getrennt voneinander "funktionieren". Zugleich müssen die Partner nach der Rückkehr, die Eindrücke und Erfahrungen verarbeiten, langsam neu zueinanderfinden. Hat das Paar Kinder, betrifft dies deutlich mehr Personen.
Ein "Selbstläufer" sind solche Zeiten der Distanz weder für die Beziehung noch für die Erziehung von Kindern. Und jeder Einsatz wirkt anders. Dies gilt umso mehr, wenn Auslandseinsätze existenzielle Gefährdungen und/oder auch Ängste für Soldatinnen und Soldaten, aber auch für deren Angehörige mit sich bringen. Allerdings werden diese Befürchtungen sehr häufig verdrängt oder von den Betroffenen sehr unterschiedlich empfunden und bewertet. Die Partner wollen einander meist nicht unnötig belasten, sich gegenseitig verschonen, oder sie sind unsicher, wie sie überhaupt über diese schwierigen Themen sprechen sollen.
Andererseits zeigen die Erfahrung sowie die Auswertung von über 300 Seminaren mit mehr als 3000 Soldaten und ihren Angehörigen, welch große Befreiung es für die überwiegende Zahl der Teilnehmer ist, sich mit dem Partner bzw. der Partnerin und anderen Betroffenen über Fragen, Erfahrungen und Bedenken sowie über Erwartungen oder Befürchtungen und hilfreiche Strategien austauschen zu können. Hierfür bietet das neue Buch "Soldat im Einsatz – Partnerschaft im Einsatz" wertvolle Orientierungen sowie einfach nachvollziehbare Grundlagen, um gemeinsam eine hilfreiche Strategie zu entwickeln.
Dabei geht es keinesfalls darum, Ängste zu schüren oder ein Belastungsszenario zu entwerfen. Die Begleitung der Paare und Familien zeigt jedoch, dass drei Hauptbereiche an Ängsten unterschieden werden können: körperliche (physische) Bedrohungen (z. B. die Angst vor Tod oder Verwundung), seelische (psychische) Bedrohungen (z. B. die Angst vor Veränderungen der Persönlichkeit, vor Traumatisierung oder Burnout, aber auch die Angst vor einem "ungesunden" Umgang mit dem Erlebten, Ängste vor aktivem Schusswaffengebrauch der Soldaten und den sich daraus ergebenden möglichen psychischen Konsequenzen) sowie soziale Bedrohungen durch den Einsatz (z. B. die Angst vor negativen Ver-änderungen in den Beziehungen).
Hinzu können die Ängste von Kindern kommen. Sie äußern sich nicht selten indirekt in Sätzen wie: "Mama, ist Papa im Krieg?", "Wie lange sind vier Monate?", oder auch "Hat Papa uns nun weniger lieb, weil er so lange weg ist?".
Wenn Ängste auf Dauer nicht angesprochen werden können, beginnen die Partner, das Verhalten oder die Gefühle des Anderen zu interpretieren. Dies kann neue Belastungen oder Fehleinschätzungen mit sich bringen. Von der zusätzlichen Belastung durch eigene, unterdrückte Ängste ganz zu schweigen. Deshalb gilt die zeitlose Orientierung für alle Betroffenen: "Ängste werden durch Verschweigen selten leichter!" Und: "Heimliche Wünsche werden unheimlich selten erfüllt!" Der Vernetzung der Angehörigen der Soldaten kommt dabei eine besonders wichtige Rolle zu, um den Austausch der Betroffenen zu erleichtern.